Meine bisherige Final Fantasy Karriere lässt sich in – gerade einmal – zwei römischen Zahlen zusammenfassen. XIII und XV. Wobei ich den ersten Titel dieser kurzen Liste kaum länger als 30 Minuten gespielt habe, denn nach dieser Zeitspanne ging mir die Steuerung dermaßen auf den Keks, dass ich nicht bereit war auch nur eine weitere Minute zu investieren. Die Kamera nicht frei bewegen zu können, in einem Action RPG, dass widersprach damals meiner kompletten Spiel-Motorik. Ohne Chance auf Eingewöhnung! Bei Final Fantasy XV lag die Sache schon anders. Dennoch benötigte ich auch hier einen zweiten Anlauf, was ich dem, für japanische Rollenspiele (und Filme, Serien, womöglich Bücher) so typischen und oft übermäßig zelebrierten „Weltschmerz“ der Protagonisten zuschreibe. Um diesen, nebst damit verbundenem Overacting, über eine volle Spiellänge zu ertragen, musste ich erstmal ein wenig üben.

Schnitt. Wir schreiben den Monat April im Jahr 2020 und am Horizont der Videospiele-Welt wartet ein neues JRPG auf seine Veröffentlichung: Ein Remake des, wie man oft hört, besten Final Fantasy von allen: Final Fantasy VII. Neben moderner Grafik soll das Game auch mit einer neuen Steuerung aufwarten, ähnlich der von FFXV. Gute Vorzeichen, dass mir der Titel gefällt…

Schnitt Nr. 2. Ich habe das Spiel vorbestellt, frühzeitig heruntergeladen und installiert. Technisch bin ich vorbereitet. Im Gegensatz dazu, habe ich mich im Vorfeld nicht gespoilert, weder was das Remake, noch was das Original von FFVII betrifft. Wie ich den Neuling dann „richtig“ beurteilen will? Na eben für sich alleine. Für Vergleiche mit dem „besten Final Fantasy aller Zeiten“, habe ich auch diesmal wieder einen Veteranen als Mitautoren gewinnen können, der mir diesen Part – in Form eines eigenen Artikels – abnimmt. Es kann also los gehen: Ich bin seelisch und moralisch darauf vorbereitet, dass mein Charakter, wie für japanischen Content üblich, die Last der ganzen Welt – nein: des ganzen Universums – auf den Schultern tragen und dies durch sein ganzes Auftreten regelmäßig zur Schau stellen wird. Es kann also losgehen…

Ein Sprung ins kalte Wasser…

Ich starte das Spiel und werde, wie es für diese Reihe (zumindest aus meiner Perspektive) üblich zu sein scheint, direkt und ohne weitere Vorbereitung ins Geschehen geworfen. Ich weiß nicht, wer ich bin. Ich weiß nicht, wer meine Mitstreiter sind. Und ich weiß nicht, was zur Hölle wir hier eigentlich machen. Und diesmal bin ich nicht in einer kaputten Limousine mitten in der Wüste, sondern des Nachts an einem Bahnhof innerhalb einer Industrie-Anlage gelandet. Und statt friedlich und mürrisch die Karre durch die Gegend zu schieben, bin ich direkt im Kampf. Gegen gut bewaffnete Soldaten, die gegen mich, mein übergroßes Schwert und die Typen, die mich offenbar angeheuert haben, nicht die geringste Chance haben.

Einige Minuten später wird anhand der Gespräche zwischen den Figuren klar: Wir kämpfen hier offenbar gegen einen fiesen Mega-Konzern, der auf übelste Weise den Planeten ausbeutet, auf dem wir uns befinden. Ok. Ich bin Söldner. Ok. Und meine Mitstreiter sind Terroristen. What?! Natürlich klingt das negativer als es ist und erwartungsgemäß ist freilich der Mega-Konzern der tatsächliche Bösewicht in dieser Geschichte, auch wenn „die“ nicht müde werden, das Gegenteil behaupten.

Wie sich herausstellt, ist die Industrieanlage in der wir uns anfangs befunden haben, ein Reaktor. Einer von vielen. Diese Anlagen dienen der Energiegewinnung und versorgen die Mega-Metropole namens Midgar mit genügend Energie, um der reichen Ober- und der hart arbeitenden Mittelschicht, die dort auf einer – mehrere hundert Meter über der Planetenoberfläche aufgebauten „Platte“ – leben, ein angenehmes Dasein zu ermöglichen. Währenddessen haust die Unterschicht in den Slums unterhalb der Platte, wortwörtlich im Schatten der Gesellschaft. Dort hat die Gruppe namens „Avalanche“, die unseren Helden namens Cloud angeheuert hat, ihren Ursprung und versucht a) etwas an der miesen Situation zu ändern und b) durch die Zerstörung der Reaktoren, die Ausbeutung des Planeten zu verhindern, der sonst unweigerlich seinem Ende entgegen sieht.

Im weiteren Verlauf der Geschichte, agieren wir sowohl des Nachts, als auch tagsüber in verschiedenen Gebieten: Wir besuchen neben der Stadt natürlich die Slums, die Wartungsebenen inner- und unterhalb der Platte darüber, die Kanalisation und den berüchtigten Wallmarkt, eine Vergnügungszone zwischen den Wohnsektoren der Slums, in denen es zugeht, wie in Las Vegas‘ wildesten Zeiten. Der Tag-Nacht-Wechsel erfolgt dabei nicht zeitgesteuert, wie es in der offenen Welt von FFXV der Fall war, sondern hängt von dem aktuellen Stand der Story, beziehungsweise der aktuellen Quest ab.

Und wo wir gerade von Quests sprechen: Ihr folgt in FFVII nicht nur der Hauptstory, sondern bekommt auch zahlreiche Nebenaufgaben geboten, die Euch die Charaktere um Euch herum und viele Details der Spielwelt näher bringen. Zum Abschluss des Spiels ist das Erledigen dieser Aufgaben nicht notwendig, aber wer spielt schon ein Rollenspiel, ohne dabei tiefer in die Welt des Spiels eintauchen zu wollen? Außerdem: Mehr Erfahrungspunkte sind niemals eine schlechte Idee.

Alles in allem kann man im FFVII Remake über 30 Stunden versenken, wenn man mag. Das macht es, rein vom Umfang her, durchaus zu einem vollständigen Spiel. Das man, auf den Ausflügen durch Midgar (und nicht darüber hinaus), tatsächlich nur die Einführung der Vorlage erlebt, fällt einem nicht weiter auf, wenn man neu in der Materie ist. Ich empfand das Spielerlebnis zu keinem Zeitpunkt als sinnlos gestreckt. Aber Fakt ist dennoch: Das Remake ist tatsächlich nur der erste Teil einer Reihe. In wie viele weitere Teile die restliche Geschichte des Originals aufgeteilt wird, ist aktuell noch vollkommen offen. Umstände, die vielen Final Fantasy Fans mehr als nur sauer aufstoßen. Ob zurecht oder nicht, müsst Ihr wohl für Euch selbst entscheiden.

Wie spielt sich das Remake?

Das Kampfsystem lässt uns die Charaktere direkt steuern. Ja, die Charaktere, denn man kann zwischen den verschiedenen Mitgliedern der Gruppe nach Belieben wechseln. Angreifen, Ausweichen, Blockieren und sich Bewegen – all das läuft in Echtzeit ab und ist nicht von Ressourcen abhängig. Ganz ohne entsprechendes Management kommt das Kampfsystem dennoch nicht aus: Pro Gruppenmitglied gibt es zwei sogenannte Active-Time-Battle-Leisten, die sich im Verlauf eines Kampfes langsam füllen. Diese Ressourcen verbraucht man durch das Nutzen von Fertigkeiten, das Wirken von Magie oder den Einsatz von Gegenständen. Bei der Auswahl der Ressourcen-Verbraucher hält die Zeit beinahe (aber nicht ganz) an, so dass man hierbei nicht plötzlich in Hektik verfallen muss.

Das FFVII Remake bietet uns zahlreiche Gegnertypen, von denen die meisten sich – selbst wenn sie mal in größerer Zahl auftreten – sich mit etwas Geschick und ein paar Heiltränken im Gepäck problemlos erledigen lassen. Etwas knackiger, aber niemals unfair, kommen Boss-Gegner daher, die zumeist am Ende eines Spielabschnitts auf uns warten. Hier wird uns ein wenig mehr abverlangt. Achtet man aber auf deren Bewegungen, um Ihnen bei Bedarf leichter aus dem Weg gehen zu können und nutzt man deren Schwächen gegen bestimmte Angriffe oder Elemente geschickt aus, sind auch diese kein Problem, auch wenn die imposanten Fights sich über mehrere Minuten und teilweise über verschiedene Ebenen erstrecken.

Um die Charaktere anzupassen, gibt es im Wesentlichen drei Optionen: Ausrüstung in Form von Waffen und Rüstung (was sich auf Ringe und Armreife beschränkt) und Materia, bunte Kugeln, die sich in Slots in der Ausrüstung einsetzen lassen und Euch den Zugriff auf bestimmte Fähigkeiten (wie beispielsweise Elementarzauber) erlauben oder bestimmte Werte oder Angriffe verbessern. Waffen und Rüstungsteile kann man zum Teil in der Spielwelt kaufen, Materia Kugeln findet man gerne in versteckten Winkeln der Welt. Zudem bietet ein NPC namens Chadley, der Euch über die Zonen hinweg zu stalken scheint, an, neue Materia zu erzeugen, wenn man ihn mit Forschungsdaten beliefert, die man im Laufe der Abenteuer sammelt, beispielsweise durch das Absolvieren spezifischer Angriffsserien. Auf diese Weise kann man die Charaktere situationsbedingt oder gemäß des eigenen Spielstils anpassen. Nur nicht während eines Kampfes – solange man „infight“ ist, kann man seine Ausrüstung nicht modifizieren. Macht Euch, wenn Euch eine härtere Begegnung bevorsteht, also vor Kampfbeginn Gedanken um Eure Ausrüstung! Aber Moment mal: Sprach ich nicht von drei Optionen? Stimmt. Erwischt!

Die dritte Anpassungsmöglichkeit findet ihr „innerhalb“ Eurer Waffen: Diese besitzen Kerne, in die Ihr sogenannte Waffenpunkte stecken könnt, die Ihr beim Einsatz der jeweiligen Waffe verdient. Diese Investitionen schalten bestimmte Perks frei, die sich auf Eure Angriffs- und Verteidigungswerte oder die Effektivität bestimmter Fähigkeiten auswirken. Und nicht nur die Charaktere und Waffen werden im Laufe des Spiels durch Erfahrungspunkte aufgewertet, auch die Materia-Kugeln steigen in ihrer Stufe langsam auf, was nach und nach mächtigere aber auch teurere Fähigkeiten freischaltet, die mehr Ressourcen verbrauchen. Das System lädt dazu ein, diverse Kombinationen zu testen und verleiht FFVII somit durchaus taktische Tiefe.

Nicht unerwähnt bleiben sollten auch die Beschwörungs-Materia, die es uns erlauben, zu festgelegten Zeitpunkten (in der Regel in Bosskämpfen), verschiedene Götter (oder Dämonen – dazu kenne ich mich in der Lore zu wenig aus) herbeizurufen, die für einen festgelegten Zeitraum wie ein zusätzliches Gruppenmitglied an unserer Seite kämpfen und sich danach mit einem Mega-Angriff wieder aus dem Kampfgeschehen verabschieden. Wenn beispielsweise Ifrit auftaucht und damit anfängt, die Gegner zu rösten, wird sicher nicht nur Fans schnell warm ums Herz. Das bringt mich dann auch zum letzten Abschnitt…

Inhalt ist nicht alles: Grafik, Sound, Präsentation.

Das FFVII Remake sieht ohne Frage gut aus: Detaillierte Charaktermodelle, tolle Effekte in den Kämpfen, belebte Straßen, sich unterhaltende NPCs, Musik die aus Häusern auf die Gassen dringt, Licht- und Schatten die für ordentlich Atmosphäre sorgen und besonders hübsch gestaltete Orte wie Aeriths Zuhause, sollten auch die Augen der kritischsten Zeitgenossen mit Tränen der Freude befeuchten und ihren Ohren schmeicheln. Nein, ganz im Ernst: Das Spiel sieht wirklich sehr gut aus und lädt uns zuweilen ein, kurz stehen zu bleiben und sich einfach umzusehen. An diesem Eindruck können auch vereinzelt auftretende und in der Fachpresse viel zitierte „Matsch-Texturen“ nichts ändern. Ebenso positiv lassen sich, aus meiner Sicht, Sound und Sprache bewerten: Der Soundtrack ist stimmig, vielseitig und niemals aufdringlich. Fans werden sich zudem über Remixes von einigen Original-Tracks freuen. Die Soundeffekte wummern schön auf unsere Lautsprecher, die deutschsprachige Synchronisation ist gelungen und trägt stark dazu bei, die Dynamik zwischen den Figuren richtig rüber zu bringen – natürlich inklusive mächtig viel Overacting. Und für die Hardcore-Fans ist auch hierzulande eine japanische Tonspur verfügbar.

Mein Fazit:

Dafür, dass wir – wie auch ich inzwischen weiß – eigentlich nur die Einführung des „besten Final Fantasy aller Zeiten“ erleben durften, bin ich sehr zufrieden mit dem Spiel. Mir hat es viel Spaß gemacht und ich freue mich nun umso mehr darauf, eine oder (sehr wahrscheinlich) mehrere Fortsetzungen zu spielen, um dabei auch den Rest der Geschichte rund um unsere Helden und Ihren Kampf um die Rettung des Planeten zu erleben. Doch in bin neu in der Materie und für viele von Euch dürfte interessanter sein, wie ein Veteran der Reihe sich beim Spielen des Remakes gefühlt hat. Hierfür lege ich Euch Teil 02 unseres Reviews ans Herz, den mein guter Freund Philipp für Euch verfasst hat. Nur soviel vorweg: Auch er hatte seinen Spaß!

In Anbetracht der Tatsache, dass es sich diesmal um den ersten Teil einer Reihe handelt, der nur einen kleinen Teil eines sehr viel größeren Gesamtwerkes enthält, erscheint mir eine Wertung irgendwie als – sagen wir – (noch) nicht angebracht. Obwohl das Spiel genug Material bietet, um eigenständig bewertet zu werden, was die Fachpresse auch in vollem Umfang praktiziert hat, erscheint es mir vor dem Hintergrund des Originals irgendwie nicht angemessen. Daher verzichte ich diesmal auf die, sonst an dieser Stelle üblichen, Vergabe der Wertungs-Sternchen und beende diesen Artikel stattdessen mit folgendem Tipp: Spielt es und macht Euch selbst ein Bild!

In diesem Sinne: Recht herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!


Hinweis: Die in diesem Beitrag verwendeten Grafiken und Bilder dienen lediglich der Illustration und verbleiben, insofern sie nicht von uns selbst erstellt wurden oder geschützte Inhalte zeigen, geistiges Eigentum von Square Enix.