Die mächtigsten Helden der Welt…

Dank des MCU (Marvel Cinematic Universe) sind sie schon längst nicht mehr nur Comic-Nerds ein Begriff: Die Avengers (Taschenbuch-Lesern meiner Generation auch – eingedeutscht – als „Die Rächer“ bekannt). Während Sie in ihrem letzten Kino-Auftritt (Avengers: Endgame / Affiliate-Link), durch den knappen Sieg über den wahnsinnigen Titanen namens Thanos und nur unter Verlusten, gerade so eben das Schicksal des Universums zum Guten wenden konnten, ist die Welt zu Beginn des Spiels noch in Ordnung und das Superhelden-Team in seiner Originalbesetzung noch vollständig.

Das Spiel orientiert sich nämlich primär nicht an der erfolgreichen Kino-Adaption des Stoffes, sondern hat seine Wurzeln inhaltlich eindeutig in den Comics. Das heißt: Die uns präsentierte Story nimmt keinerlei Bezug auf das MCU, die Sprecher stammen weder im englischen Originalton, noch in der deutschsprachigen Synchronisation aus der Kinofassung und auch im Charakterdesign bediente man sich nur sehr begrenzt an den bekannten Designs der Marvel Studios – dank des Ingame-Shops kann sich das künftig allerdings durchaus noch ändern.

Gerade zu Anfang wirkt das – gerade für Fans des MCU – ein wenig befremdlich. Ich hoffte ehrlich darauf, wenigstens in der Synchro die bekannten Sprecher zu hören. Das hätte mich deutlich besser abgeholt – ganz so, wie es seinerzeit die Batman: Arkham Reihe (Affiliate-Link) praktiziert hat, in der Bruce Wayne hierzulande die deutsche Stimme von Christian Bale bekam.

Aber was soll’s… Erstens gewöhnt man sich nach einer Weile an die „neuen Töne“ und zweitens verbringt man – Achtung: Spoiler – nach der Einführung die ersten Stunden ohnehin erstmal ausschließlich mit der Nachwuchs-Heldin Kamala Khan (alias: Miss Marvel). Diese bekommt als Kind nämlich a) mit, wie die Avengers nach einem folgenschweren Unfall als Kriminelle gebrandmarkt, verfolgt und in alle Himmelsrichtungen verstreut werden und erlangt b) durch den Unfall selbst Kräfte, die sie ebenfalls – per Definition – zu einem Opfer von Diskriminierung und Verfolgung (durch A.I.M. und den Staat) machen.

In der Folge macht Kamala es sich – einige Jahre später und inzwischen zu einer jungen Frau herangewachsen – zur Aufgabe „die Band“ wieder zusammenzubringen, was sich als schwieriger erweist, als sie es sich vorgestellt hat. Damit ist in etwa der Inhalt der Story-Kampagne erklärt. Als Kamala erhaltet ihr verschiedene Missionen zum Auffinden der einzelnen Avenger, angefangen mit Bruce Banner / dem Hulk. Dann bekommt jeder aufgefundene Held eine eigene Mission um ihn als Teammitglied freizuschalten, damit ihr dann für andere Missionen als Spielcharakter wählen könnt. Und danach darf jeder Held in ein paar Folgemissionen mehrere neue Kostüme freischalten, so dass die Charaktere optisch eine Entwicklung durchmachen: Von einem improvisierten Kostüm, über den Standard-Look bis hin zu einem, Stark-Tech-Upgrade.

Darüber hinaus baut Ihr einen alten Helicarrier zu einer neuen Basis aus und trefft noch auf ein paar andere Fraktionen, die weitere Aufgaben anbieten, die es zu bestehen gilt. Die Motivation dahinter: Erstmal das ganze Team freischalten. Darüber hinaus verdient man sich durch das Abschließen der Quests (rollenspieltypisch) Erfahrungspunkte, die man in neue Fähigkeiten investiert, die unsere Helden stärker machen. Obendrauf gibt’s noch neue Ausrüstung, die sich ebenfalls positiv auf die Power der Helden auswirkt.

Hat man die Story-Kampagne abgeschlossen, kann man a) bereits gespielte Quests in einem höheren Schwierigkeitsgrad wiederholen und b) auf den Multiplayer-Modus zurückgreifen, der einem in Form der Avengers-Initiative noch schwierigere Aufgaben (die Warzones) stellt, die man dann in einer Gruppe meistern soll, was wiederum mit Erfahrung und spezieller, hochwertigerer Ausrüstung belohnt wird.

Das Spiel macht manches richtig…

Nach dem ich seinerzeit den ersten Vertreter der Arkham Reihe durchgespielt hatte, war ich begeistert. Mein nächster Gedanke war: „Ok, jetzt hätte ich gerne ein ebenso geniales Spiel aus dem Marvel Universum. Am besten rund um Iron-Man.“ (Alles was es bis dato an dieser Front zu spielen gab, empfand ich entweder als – mindestens für mich – total uninteressant oder schlicht als grottenschlecht.)

Die Freude nach der ersten Ankündigung von Marvel’s Avengers (Affiliate-Link) war riesig, das Promo-Material sah vielversprechend aus und mit Eidos Montréal und Crystal Dynamics hatte man zwei erfahrene und für spielerische Qualität bekannte Entwickler-Studios verpflichtet. Gute Vorzeichen also. Umso größer war nach den ersten Spielstunden meine Enttäuschung. Woher diese kommt, besprechen wir etwas später. Jedenfalls: Meinem Frust folgend, wäre es naheliegend das Game einfach abzustrafen und es dann dabei zu belassen. Aber um fair zu bleiben: Marvel’s Avengers ist trotz seiner Flaws kein wirklich schlechtes Spiel. Aber als gut möchte man es, auch mit viel gutem Willen, dann doch lieber nicht bezeichnen. Wenn man sich an schulischen Begrifflichkeiten orientieren mag, wäre ein „noch befriedigend“ wohl eine passende Wahl.

Echtes Helden-Spielgefühl

Den Anfang in der Liste positiver Eigenschaften macht ganz klar das Spielgefühl, dass die verschiedenen Helden bieten. Iron Man und Thor können fliegen (wenn auch nur begrenzt weit und hoch, da die Levels zwar weiträumig wirken, aber trotzdem durch „unsichtbare Wände“ deutlich eingeschränkt sind). Alle Helden kämpfen mit ihren klassischen Moves: Dehnbare Arme mit großen Fäusten, Repulsoren, Blitze, Hulks berüchtigter Thunderclap, Caps Schild, Windows Pistolen. Man kommt hier definitiv auf seine Kosten und gerade die Bewegungsabläufe von Iron Man (oder auch Hulk und Thor) sollten MCU Fans bekannt vorkommen – was eine gute Sache ist. Die Animationen von Bewegungen und Skills lassen sich nicht lumpen und tragen deutlich zum Spielgefühl bei. Während der Kämpfe und natürlich in den Zwischensequenzen unterhalten sich die Team-Mitglieder. Trotz der „falschen Stimmen“ erkennt man die jeweiligen Charakterzüge leicht wieder, an die man sich gewöhnt hat. Die Chemie zwischen den verschiedenen Figuren ist deutlich erkennbar. Und: Jeder Held fühlt sich anders an.

Hübsche Grafik

Die Außenareale sind – wenn auch, wie bereits erwähnt, durch unsichtbare Begrenzungen deutlich eingeschränkter, als sie wirken – optisch hochwertig und abwechslungsreich gestaltet. Verschiedene Tageszeiten und Klimabedingungen sorgen hier (zumindest zu Anfang) für ordentlich Abwechslung. Detaillierte Texturen, gerade auf den Charakteren, und schöne Licht- und Partikeleffekte machen durchaus einiges her und werden der (noch) aktuellen Konsolengeneration durchaus gerecht.

Steuerung & Gameplay

Auch wenn die Lernkurve am Anfang etwas höher ausfällt, als sie es müsste, ist die Steuerung nach kurzer Zeit gut zu meistern, wenn man sie erstmal verinnerlicht hat. Die Kombination verschiedener Fähigkeiten und sich langsam aufbauender Ressourcen, ergänzt durch die Tatsache, dass man Schaden nur vermeiden kann, indem man aktiv pariert oder ausweicht, macht das Gameplay definitiv zu einem Punkt auf der PRO Liste.

Micro-Payments nur für kosmetische Gegenstände

Heute gibt es, weil es eine nicht mehr wegzudiskutierende und längerfristige Einnahmequelle für Studios und vor allem Publisher ist, kaum noch ein Spiel ohne Anbindung an einen Item-Shop, in dem man mittels einer speziellen Währung einkaufen kann, die sich wiederum nur oder hauptsächlich durch den Einsatz echten Geldes erwerben lässt. Hier macht auch Marvel’s Avengers keine Ausnahme.

Doch in diesem Zusammenhang darf nicht unerwähnt bleiben, dass besagter Shop ausschließlich Zugriff auf kosmetische Gegenstände gibt, über die man die Kostüme der Charaktere oder die Avatare des Spieleraccounts anpassen kann. Nichts davon hat in irgendeiner Weise Einfluss auf den Spielverlauf oder den Schwierigkeitsgrad. Das sollte die meisten Gegner dieser angesagten „Geld-Verdien-Praktik“ eigentlich beruhigen.

Nach einer Weile geht’s bergab…

Ich bin am Anfang dieses Artikels schon kurz darauf eingegangen: Hat man sich an die gefühlt „falschen Stimmen“ erstmal gewöhnt, legt das Spiel eigentlich einen wirklich tollen Start hin. Doch die erste Euphorie hält leider nur wenige Stunden. Danach machen sich die Schwächen bemerkbar. Erst nur schwach und dann werden sie sehr schnell und sehr deutlich zu einem Problem. So stark, dass man leicht die Lust verliert weiter zu spielen. Eine der Hauptursachen sehe ich hier klar im Konzept für das Mid- bis Endgame

Recycling

Ist man durch die Story-Kampagne einmal durch, ähnelt das Konzept ab hier ganz klar Spielen wie Diablo: Man spielt wieder und wieder die gleichen Levels, schraubt die Schwierigkeit nach oben, hebt den Charakter auf eine höhere Stufe, lernt bessere Skills, legt höherwertigere Ausrüstung an und nimmt sich dann den nächst höheren Schwierigkeitsgrad vor. Und da man aber schon im zuvor gespielten Story-Flow immer wieder mal auch Orte besucht, an denen man schon einmal war, nur dann eben aus einem anderen Motiv heraus, verkümmert das Spiel im Verlauf der weiteren Spielstunden mehr zu mehr zu repetitiver Langeweile.

Das Leveldesign der meisten Innenareale entspricht leider überwiegend dem exakten Gegenteil der Außenlevel. Hier rennt man die meiste Zeit durch graue Gänge und verlassene Labore, die sich stellenweise gleichen, wie ein Ei dem anderen. Man könnte meinen, die Leveldesigner haben sich an der „freien Natur“ komplett verausgabt und hatten dann für die Innenräume keine kreativen Energien mehr übrig.

Nochmal ein gutes Stück langweiliger gestalten sich die Nebenquests die man hier und da innerhalb der Levels findet. Befreie den Gefangenen A aus Zelle B, indem du Gegnerwelle C, D und E tötest. Diese bieten spielerisch nicht den geringsten Mehrwert, abgesehen von ein paar wenigen Erfahrungspunkten und sind wohl nur dazu da, die Spielzeit noch um ein paar zusätzliche Minuten aufzublasen.

Ein Lichtblick: Längerfristig ist wohl weiterer Heldenzuwachs geplant. Von Hawkeye weiß man bereits. Und wenn die neuen Helden nach dem gleichen Schema erspielt werden, wie die aktuell vorhandene Auswahl, dann bringt jede neue Figur wohl eine kleine Reihe neuer Quests und womöglich auch ein paar neue Schauplätze mit sich.

Wartezeiten dank Ladezeiten

So ansehnlich die technische Basis des Spiels sich gemeinhin präsentiert, so langwierig und störend sind die Ladezeiten. Warum ein modernes Spiel auf einer aktuellen Konsole (in meinem Fall ist es die PS4 Pro, auf der XBOX One X soll es aber nicht anders sein), installiert auf einem flotten Datenspeicher, so immens viel Zeit auf Ladebildschirmen verschwenden muss, ist mir ein absolutes Rätsel. „Level fertig? Gut. Ziehen wir uns erstmal einen Kaffee und gehen fix auf’s Klo, bis dahin sollte es weiter gehen.“ Das ist – heutzutage – einfach unnötig und vermeidbar.

Fazit

Zwei Worte sind es, welche die Gesamteinschätzung von Marvel’s Avengers (Affiliate-Link) dominieren: Verschenktes Potenzial. Nachdem das Spiel einen wirklich guten Start hinlegt, flacht sich die Motivationskurve im Verlauf der Story-Kampagne langsam ab, um dann mit dem Wechsel zum Endcontent abrupt ins Bodenlose zu fallen. Mit einem ordentlich voll gepackten Inhaltsupdate ließe sich dieser Umstand durchaus nachträglich beheben. Dass selbst das gut funktionieren und beinahe gescheiterten Spielen zu einem zweiten Leben verhelfen kann, hat No Man’s Sky (Affiliate-Link) bereits überraschend eindrucksvoll bewiesen. So ließe sich auch aus den guten Anlagen von Marvel’s Avengers noch etwas machen.

Wie immer gilt: Recht herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


Hinweis: Die in diesem Artikel verwendeten Screenshots dienen lediglich der Illustration und verbleiben geistiges Eigentum der Hersteller, Crystal Dynamics und Eidos Montréal, sowie des Publishers Square Enix.