Es ist knapp 22 Jahre her, dass ich bei einem guten Freund auf dem Dachboden saß und wir unsere Rechner für eine LAN-Party aufgebaut hatten. Einer der Teilnehmer hatte dieses Mal aber keinen PC, sondern seine PlayStation mitgebracht. Das war das erste Mal, dass ich Cloud Strife mit seinen spitzen Haaren und Barret mit seiner Kanone im Arm gesehen habe. Zumindest soviel, wie man damals (anhand der Grafik) davon erahnen konnte. Es war nicht das erste Mal, dass ich mit Final Fantasy in Kontakt kam, aber die Spiele davor waren alle noch eher in GameBoy-Klötzchen-Grafik. Final Fantasy VII saugte einen schon optisch tiefer in die Welt von Midgar und den Mako Reaktor hinein. Dieser Abend auf dem Dachboden gab mir Grund genug, mein Taschengeld zusammen zu kratzen und mir sowohl eine PlayStation, als auch das Spiel zu kaufen.

Es war das erste Spiel, das ich nicht einfach nur durchgespielt habe: Ich habe damals alle Ecken und Enden der Spielwelt erforscht, jeden Gegner bekämpft, den ich finden konnte und jede Quest abgeschlossen. Es gab unfassbar viele Rätsel, Mini-Games und andere Sachen zu tun. Über die Jahre habe ich auch immer mal wieder auf neueren Plattformen eine Runde Final Fantasy VII gestartet. Auch nahezu alle Nachfolgetitel, zumindest die Hauptspiele, habe ich mir zu Gemüte geführt. Final Fantasy XIV, das zweite MMORPG der Reihe, habe ich komplett ausgelassen und den bis vor kurzem jüngsten Spross der Serie, Final Fantasy XV, habe ich angefangen, konnte mich aber nicht so recht mit dem Kampfsystem anfreunden – darauf werde ich etwas später in diesem Beitrag auch noch einmal zurückkommen. Einige Jahre vor dem Release von FFXV gab es eine recht vielversprechende Tech Demo, die zeigen sollte, wie ein neues Final Fantasy aussehen könnte, FFXV entsprach, aus meiner Sicht, aber nicht den in das Spiel gesetzten Erwartungen.

Final Fantasy VII Original
Hersteller-Screenshot: Final Fantasy VII

Genug der Vorrede, kommen wir zum Remake: Bereits seit längerem war bekannt, dass die Neuauflage in mehreren Teilen erscheinen würde. Die Ankündigung, dass zunächst (mehr oder weniger) nur der Prolog des Originals in Midgar umgesetzt werden würde, ließ Befürchtungen aufkommen, dass der erste Teil kaum mehr als eine längere Demo sein würde, um die langen Jahre des Wartens etwas zu verkürzen. Die gute Nachricht ist, dies ist nicht der Fall, auch wenn die angegebene Spieldauer von ca. 40 Stunden im Vergleich zu anderen Teilen der Serie eher kurz erscheinen mag. Zum Vergleich: Im Original war man nach ca. 5 bis 6 Stunden durch diesen Abschnitt der Story durch, selbst man sich etwas Zeit ließ.

Was hat sich also geändert? SquareEnix hat es geschafft die vielen kleinen Andeutungen der Story aus dem Original mit Leben zu füllen. Charaktere, die früher allenfalls als Beiwerk zählten, bekommen diesmal mehr Aufmerksamkeit oder gleich eigene kleine Story-Abschnitte. All das gibt der Gesamterfahrung eine neue Tiefe und uns Spielern neue und mehr Chancen sich auch mit Charakteren anzufreunden, die im Original nach 2% der Story keine Rolle mehr gespielt haben. Was ich damit sagen will: Final Fantasy VII Remake fühlt sich an wie der Auftakt und die Neuerzählung einer Geschichte, die mich vor 20 Jahren so gefesselt hat, dass sie mich immer noch nicht loslässt.

Für alle, an denen das Original oder das Remake bisher etwas vorbeigegangen ist: Der Haupt-Protagonist der Geschichte ist ein junger Ex-Soldat namens Cloud Strife. Früher war er Mitglied einer Super-Soldaten-Einheit namens SOLDAT, Teil einer Privat-Armee des übermächtigen Shinra Konzerns, der alles Leben in Midgar beherrscht. Midgar ist eine zweigeteilte Stadt. Ebenerdig leben die „normalen Menschen“ in Slums, eingeteilt in mehrere Sektoren. 300 Meter über Ihnen befindet sich eine alles überspannende Metallplattform, auf der sich die besser gestellte Elite von Shinra ihr bürgerliches Leben eingerichtet hat. Cloud hatte irgendwann genug von dem Zwei-Klassen-System und der daraus resultierenden Ungerechtigkeit, desertierte und schlägt sich seither als Söldner durch’s Leben. Sein aktueller Auftrag kommt von der Rebellen-Organisation Avalanche, die Shinra (zurecht) dafür anprangert, dass sie mit den sogenannten Mako-Reaktoren direkt den „Lebenssaft des Planeten“ anzapft um Energie für die Menschen zu erzeugen. Barret, der unerschrockene Anführer der in Midgar stationierten Zelle von Avalanche und seine (immer noch etwas amateurhaften) Freunde planen zu Spielbeginn, einen der in Midgar befindlichen Reaktoren in die Luft zu sprengen und haben zur Unterstützung unseren Protagonisten Cloud angeworben. Dem ist inzwischen eigentlich alles um ihn herum sichtlich egal, Hauptsache er wird am Ende gut für seine Tätigkeiten entlohnt.

Final Fantasy VII Remake: Barret
Hersteller-Screenshot: Barret im Final Fantasy VII Remake

Was schon im Original den Unterschied zu den RPGs, die ich bis dahin gespielt hatte, ausgemacht hat, war die Identifikation mit den Mitgliedern der Gruppe rund um den Protagonisten. Man bekam bei Final Fantasy am Anfang des Spiels keine Standard-Truppe aus Krieger, Paladin und Magier, die man sich zufällig erwürfelt hat. Stattdessen, standen die Mitglieder der Gruppe bereits fest und hatten ihre eigenen Hintergründe und Motivationen. Sei es „nur“ das schnöde Geld oder eben der Kampf für eine bessere Welt. Im Laufe der Geschichte durchliefen alle eine Transformation, eine Weiterentwicklung ihres Charakters, die sie für mich sehr viel greifbarer gemacht haben. Und eben diesem Umstand neuen Raum zu geben und auch kleine Nuancen in neuen Bildern zu zeigen – dass ist es, was für mich den Reiz dieses Remakes ausmacht.

Das FFVII Remake ist sowohl grafisch, als auch spielerisch bombastisch. Ich habe mich dabei erwischt, dass ich immer wieder an bestimmten Stellen in der Welt einfach kurz stehen geblieben bin, um die Szenerie für einen Moment auf mich wirken zu lassen. Darüber hinaus halte ich für eine liebevolle Hommage an das ursprüngliche Spiel. Klar wird das beispielsweise, wenn man sich heute Let’s Play Videos vom Original anschaut: Die damals schon mit extremer Liebe zum Detail erstellten Hintergründe und Orte wurden mit mindestens der gleichen Fürsorge in das Remake übertragen. Die Handlungsorte wurden mit neuem, zusätzlichem Leben erfüllt. Einwohner führen Gespräche, denen man im Vorbeigehen lauschen kann. Oder man bleibt an einem öffentlichen Platz stehen und schaut sich auf einem großen Bildschirm eine aktuelle Nachrichtensendung an, vollgestopft mit Fake-News des Shinra Konzerns und beginnt, den gleichen Groll gegen das System der Ausbeutung zu hegen, den auch Barret stets zum Ausdruck bringt.

So saugt man Spieler in die Handlung, in ein Spiel hinein – keine Frage.

Ein weiterer Aspekt, der das ursprüngliche Spiel damals ausgemacht hat, war der teilweise ziemlich schräge Humor. Ein gutes Beispiel dafür ist einer der, für damalige Zeiten gerade im Westen der Welt, seltsamsten Abschnitte des Spiels, der es bereits in den Start des Remakes geschafft hat und dort nun mit neuem Esprit und in neuem Glanz erstrahlt: Tifa, ein Jugendfreundin Clouds und ebenfalls Mitglied von Avalanche ist in einem der Nachbar-Bezirke, einem Vergnügungsviertel, undercover bei dem dortigen Unterwelt-Boss Don Corneo, um dort als seine „Braut“ ausgewählt zu werden. Um Tifa wieder zu befreien, müssen Cloud und Aerith – die sich gerade erst kennengelernt, aber schon eine Art Freundschaft aufgebaut haben – auf eine wilde Schnitzeljagd durch den sogenannten Wall Market gehen – Midgars Version von Las Vegas. Am Ende der Hatz läuft es darauf hinaus, dass tatsächlich alle drei an der Brautschau teilnehmen. Ganz genau. Alle drei. Das schließt Cloud, den einzigen Kerl in dieser Runde, mit ein (siehe nachfolgender Screenshot). Ein Abschnitt, der damals schon überraschend viel Spaß gemacht hat. Und obwohl ich diesmal schon wusste, was auf mich zukommen würde, hielt er auch im Remake immer noch mehr als genug WTF Momente für mich bereit. Ihr werdet merken, was ich meine.

Final Fantasy VII Remake: Brautschau
Von uns erstellter Screenshot: Drei „Damen“ bei der „Brautschau“

Ein weiterer im Vorfeld viel diskutierter Bereich waren die Kämpfe. Im Original waren diese nicht streng rundenbasiert, da jeder Gegner und Charakter aufgrund seines Schnelligkeits-Wertes unterschiedlich schnell mit seiner Kampf-Runde dran war. Man nannte das System damals Active-Time-Battle. Die aus dieser Zeit stammende ATB-Leiste hat zwar ihren Weg ins Remake gefunden, allerdings wurde der runden-basierte Ansatz zugunsten einer freieren Kampf-Simulation aufgegeben und die ATB-Leisten lassen die Charaktere nun Zusatz-Aktionen ausführen. Hierzu zählen das Benutzen von Gegenständen, das Wirken von Zaubern oder spezifische Angriffe, der jeweiligen Charaktere.

Aufgrund meiner Erfahrung mit FFXV war ich im Vorfeld skeptisch, ob mir der neue Kampfmodus zusagen würde. Und ich habe im Verlauf des Spiels sicher den einen oder anderen Game-Over-Bildschirm gesehen, weil ein Heilzauber nicht rechtzeitig gecasted wurde oder eine Attacke eines Gegners mich dabei unterbrochen hat. Aber alles im allem ist die Umsetzung des Kampfsystems super gelungen. Das einzige was ich vermisst habe: Da (logischerweise) immer nur ein Charakter aktiv gesteuert wird und man den Mitstreitern, ohne auf diese zu wechseln, nur grundlegende Kommandos geben kann (um beispielsweise gezielt Fähigkeiten einzusetzen oder Tränke zu schlucken), rennen diese – von der KI gesteuert – zuweilen einfach mal mit offenen Augen in ihr Verderben. Hier eine Grundeinstellung setzen zu können, damit sich die Kameraden gezielt offensiv oder doch lieber defensiv verhalten, hätte ich ganz nett gefunden. Andererseits: Durch die geschickte Integration der Kämpfe in die Umgebung ergeben sich ganz neue taktische Möglichkeiten. Sich, ganz ähnlich wie bei einem klassischen Deckungssystem, hinter Trümmern vor mächtigen Lasern zu verstecken oder vorhandene Säulen zu nutzen, um das Maschinengewehrfeuer eines ansonsten übermächtigen Kampfroboters zu umgehen, das hätten wir uns schon damals für das Original gewünscht.

Hersteller-Screenshot: Cloud im Kampf gegen einen Boss-Gegner
Hersteller-Screenshot: Cloud im Kampf gegen einen Boss-Gegner

Ein weiterer wichtiger Aspekt, anhand dessen man das Remake mit dem Original vergleichen kann, sind die Materia-Kugeln, insbesondere jene, welche zur Beschwörung eingesetzt werden. Schon damals hatten die Waffen und Rüstungen (oder Armreife) einen oder mehrere Slots, in die man Materia stecken konnte. Diese bunten Kugeln verleihen den Charakteren dann bestimmte Fähigkeiten, wie Blitz-, Feuer- oder Heilungszauber, oder eben die Möglichkeit die mächtigen Summons zu benutzen. Dies sind Beschwörungen besonders kampfstarker Geister, Monster oder Götter, wie beispielsweise von Shiva der Eisgöttin. Während diese Summons im Originalspiel einerseits wie ganz normale Zauber erschienen, andererseits aber mit schon damals aufwendigen Animationen teils minutenlang den Kampf unterbrachen, sind diese Beschwörungen im Remake als zusätzlicher, nicht direkt kontrollierbarer (man kann lediglich ihren Spezialangriff auslösen) Kämpfer unterwegs und verabschieden sich, am Ende ihrer Uptime, mit einem mächtigen Angriff. Dafür können sie aber nicht in jedem Kampf eingesetzt werden. Ein bestimmtes Schema wann genau eine Beschwörung zur Verfügung steht und wann nicht, hat sich mir im Verlauf des Spiels nicht aufgedrängt.

Fest steht: Es ist und bleibt ein Augenschmaus, wenn Ifrit mit seinem Feuerangriff sämtliche Gegner in seinem Umfeld röstet.

Nicht zuletzt diese Mechanik sorgte dafür, dass ich mich spätestens im letzten Drittel des Spiels so sehr an das neue Kampfsystem und seine Möglichkleiten gewöhnt hatte, dass meine persönlichen Frustmomente (im Kampf) auf ein Minimum reduziert waren. Mal davon abgesehen, wenn sich Tifa unnötigerweise unbedingt ein Schlammbad in der Kanalisation genehmigte oder Cloud (von der KI kontrolliert) wiederholt auf den schmalen Strich kam, es sei eine geniale Idee den fünfzehnten schweren Kampfroboter ohne Deckung frontal anzugreifen. (Wenn man nicht alles selbst macht…)

Final Fantasy VII Remake: Honey Bee Show
Von uns erstellter Screenshot: Im Honey Bee gilt „There’s no business like show business“

Da, da, da, daaa, dam, da, da, da, dahhh. Die Musik: Die fand ich schon im Original so genial, dass ich mir damals den Soundtrack auf CD gekauft habe, nur um stundenlang der Musik zu lauschen und alleine durch die gehörten Klänge zu wissen, welcher Abschnitt des Spiels da gerade untermalt wurde. Der neue Soundtrack hat für mich einen dermaßen hohen Wiedererkennungswert, dass ich teilweise Gänsehaut während des Spielens bekommen habe. Und spätestens als Barret das erste Mal die Siegeshymne selbst anstimmte, weil es ja eigentlich keine „abgeschlossenen Kämpfe“ im alten Sinne mehr gibt, war es um mich geschehen. Unterstützt wird die musikalische Untermalung durch ein neues Mini-Collectible-Spiel, für das man – verteilt im ganzen Spiel – CDs oder Schallplatten mit diversen Titeln aus dem Soundtrack sammeln kann. Um die Bedeutung, welche die Final Fantasy Mucke für mich hat, besser einordnen zu können, solltet Ihr vielleicht wissen, dass mein Smartphone fast grundsätzlich lautlos geschaltet ist, ich aber dennoch für alle Fälle und seit ich mein erstes Handy besessen habe, einen Clip von einem meiner Lieblingslieder aus Final Fantasy als Klingelton benutze.

Noch ein paar abschließende Worte zur Story: Ein nicht unerheblicher Aspekt, der mir selbst erst dank anderer Artikel zu dem Thema und einer Spielszene kurz vor Ende von FFVII bewusst wurde, sind die Flüsterer (vor Ende des Spiels als Unbekannte Kreaturen bezeichnet). Diese tauchen immer dann auf, wenn die Story droht vom Original abzuweichen. Sie sind dazu da, den Spieler dem „natürlichen Lauf der Dinge“, also den originalen Strängen der Geschichte, folgen zu lassen. Auf diese Weise konnten die Entwickler der Story gänzliche neue Aspekte oder neue Perspektiven für bekannte Elemente hinzufügen, ohne dass dies Auswirkungen auf den ursprünglichen Story-Verlauf hat, obwohl sich aus einer solchen Änderung vielleicht ein anderes Gesamtergebnis hätte stricken lassen. Viel mehr darf man – ohne das vorläufige Ende vorweg zu nehmen – dazu eigentlich nicht sagen.

Ich (und das gilt auch für meinen Kollegen) bin schon jetzt gespannt, wie die nächsten Teile des Spiels aussehen werden und vor allem, ob und wie die, auf die Abenteuer in Midgar folgende, offene Welt des Originals umgesetzt werden wird. Auch für die Zukunft hoffe ich auf eine gute Mischung. Die aktuellen Teile haben in jedem Fall schon mal gezeigt, was mittlerweile alles möglich ist. Wir können es kaum erwarten den nächsten Teil der Reise von Cloud, Aerith, Barret, Tifa und alle anderen, denen wir noch begegnen werden, zu sehen und zu spielen.

In diesem Sinne, mit den hier üblichen Abschiedsworten: Recht herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


Hinweis: Die in diesem Beitrag verwendeten Grafiken und Bilder dienen lediglich der Illustration und verbleiben, insofern sie nicht von uns selbst erstellt wurden oder geschützte Inhalte zeigen, geistiges Eigentum von Square Enix.