Das Unsterblichkeitsprogramm.
In einer Welt, in der ein menschlicher Körper in der Welt der Reichen und Mächtigen kaum mehr Bedeutung hat, als ein Kleidungsstück, wacht ein vom Staat verfolgter Ex-Soldat nach 250 Jahren körperloser Haft hinter einem Gesicht auf, dass niemals seines war. Sein, ihm noch unbekannter, Gönner offeriert ihm die Freiheit in Form einer Begnadigung, wenn er seine besonderen detektivischen Fähigkeiten nutzt, um einen Mord aufzuklären. Und das ist erst der Anfang…
Altered Carbon basiert auf dem gleichnamigen Roman von Richard Morgan und befand sich, seit der Bestellung der Serie durch das Streaming Portal Netflix, in der Entwicklung. Der Release der ersten Staffel erfolgte schließlich im Februar 2018, mit Joel Kinnaman (The Killing, RoboCop, House of Cards) in der Hauptrolle. Gemäß einer Aussage Kinnamans, war Altered Carbon (zumindest zum Zeitpunkt der Veröffentlichung) die teuerste bis dahin von Netflix produzierte Serie mit einem Budget, dass jenes der ersten drei Staffeln von Game of Thrones noch überschritten haben soll.
Noch in dieser Woche, genauer am 27. Februar 2020, startet die zweite Staffel hierzulande (und ebenfalls bei Netflix). Grund genug, sich die ersten 10 Folgen noch einmal zu Gemüte zu führen (also über’s Wochenende fix zu binge watchen) und meine aufgefrischten Ansichten zur Serie zu Papier – oder besser: zu Blog – zu bringen. Und auch wenn ich jetzt das Ende dieses Artikels quasi vorweg nehme: Wenn Ihr mit Science Fiction im Allgemeinen, dem Cyberpunk Genre im Speziellen oder mit Filmen wie Alita: Battle Angel oder Ghost in the Shell etwas anfangen könnt, dann solltet Ihr meinem Beispiel folgen.
Euer Körper ist ein Werkzeug.
Die Hauptfigur der Geschichte ist Takeshi Kovacs. Er ist ein sogenannter Envoy, der letzte Überlebende einer speziell trainierten Gruppe von Elite-Kämpfern, deren spezielle Ausbildung und Psycho-Konditionierung auf ein paar besondere Fähigkeiten abzielt: a) mittels eines totalen Erinnerungsvermögens und eines perfekten Verständnisses von Körpersprache, Mikroimpressionen und Tonfall auch dort Zusammenhänge wahrzunehmen, wo normale Menschen keine sehen und b) mittels der vollständigen Kontrolle über ihre psychischen und physischen Reaktionen nahezu ohne Zeitverlust nach dem Erwachen in einem neuen Körper einsatzbereit zu sein. Beide Fähigkeiten lassen sich im Anschluss außerdem nutzen um unerkannt zu infiltrieren, zu recherchieren und zu manipulieren. Was Envoys zu idealen Geheimagenten im Dienst des Protektorats (einer übergeordneten Machtinstitution, die alle Menschen im besiedelten Teil der Galaxis in ihrem Würgegriff halten) macht, verbaut Ihnen nach dem Ausscheiden aus dem Militärdienst nahezu jede weitere Karriere-Chance, denn:
Welcher normale Mensch könnte sich schon gegen einen Envoy durchsetzen?
Vor dieser Frage stand auch Takeshi Kovacs ca. 250 Jahre vor Beginn der Haupthandlung, was ihn – so wie einige andere Envoys – letztlich in die Arme einer kleinen Rebellen-Organisation trieb, die vom Protektorat als Terroristengruppe verfolgt wurde. Die Serie beginnt mit der Verhaftung und vermeintlichen Tötung von Kovacs. Kurz danach lernt man, dass – seit der Entdeckung außerirdischer Technologie auf der Erde – alle Menschen direkt nach der Geburt mit einem sogenannten Stack versehen werden, in den das komplette Erinnerungsvermögen und die Psyche des Stack-Trägers geladen werden, gewissermaßen dessen Seele. Diese Stacks ermöglichen ihren Trägern nicht nur das Weiterleben nach dem Tod des Körpers und die Wiederbelebung in einem neuen Körper, sondern auch sekundenschnelles Reisen quer durch die Galaxie per Needle-Cast, einem Transfer des Bewusstseins von einem Stack in einen anderen, den man dann vor Ort in einem gemieteten, synthetischen oder geklonten Körper steckt – ganz nach Bedarf und ganz nach der Dicke des Geldbeutels.
Die Meth(usalem)s.
Wenn man für ein paar Minuten über die eben beschriebene – und ursprünglich für die interstellare Raumfahrt erdachte – Technologie nachdenkt, wird schnell klar, dass damit die Grenzen der menschlichen Existenz vollständig aufgehoben werden können. Wer zu alt wird, transferiert sein Bewusstsein einfach in einen jüngeren Klon seiner selbst und hat somit ein paar Jahrzehnte gewonnen. Und dieser Vorgang kann, da das Bewusstsein im Datenspeicher des Stacks sich nicht zersetzt, selbst wenn dieser in keinen Körper eingesetzt ist, beliebig oft wiederholt werden. Damit nicht genug, können Klone durch gentechnische oder mechanische Veränderungen noch verbessert werden.
Wie nicht anders zu erwarten, werden Stacks zwar in der breiten Masse eingesetzt, wirklich profitieren können davon aber nur die Reichen und Mächtigen der Welt, die durch die Erschaffung und den Vertrieb neuer Körper – die man in dieser Zukunft nur noch als Sleeves bezeichnet – unvorstellbare finanzielle Mittel und damit Macht anhäufen und gleichzeitig die normalen Menschen immer weiter in den Ruin stürzen und / oder von sich abhängig machen. Die soziale Schere wird immer breiter, die Armen immer ärmer und die Reichen im wahrsten Sinne des Wortes unsterblich.
Rebellion.
Die Envoy-Rebellen rund um Takeshi Kovacs, waren dieser immer schlimmer werdenden Situation überdrüssig. Sie beschlossen zu handeln und fassten den Plan, die Stack Technologie außer Funktion zu setzen und damit die Lebenszeit der Menschen wieder auf das normale biologische Maß zu begrenzen. Dafür verfolgte man sie als Terroristen. Takeshi war der letzte Envoy, den das Protektorat in die Finger bekam und tötete. Zumindest körperlich. Seinen Stack lagerte man einen, nachdem man ihn zu dauerhafter körperloser „Haft“ verurteilt hatte – was uns wieder an den Anfang der Geschichte bringt und zu einem Sprung in die Zukunft von 250 Jahren. Wer jetzt Angst hat, gespoilert zu werden: Keine Sorge, wir befinden uns immer noch in den ersten 10 Minuten der Haupthandlung / der ersten Folge, ich habe nur für ein besseres Verständnis der Rahmenhandlung einigen wenigen Flashbacks vorgegriffen.
Böses Erwachen.
Wie eben erwähnt, erwacht Takeshi Kovacs zweieinhalb Jahrhunderte nach seiner Einkerkerung in einem neuen Körper: komplett mit künstlicher Reflexverstärkung und einem aufgewerteten Muskelgedächtnis für Kampfprotokolle. Ein Grund zur Freude sollte man meinen, würden da nicht einige Fragen im Raum stehen: Wer hat diesen High-Tech-Sleeve vorher benutzt? Wer hat ihn bezahlt? Wer hat genug Macht um einen vermeintlichen Terroristen aus seiner Gefangenschaft zu befreien und warum sollte das jemand 250 Jahre in der Zukunft, einer Zeit in der ohnehin niemand mehr lebt, der Kovacs mal gekannt hat, wollen? Interessante Fragen – aber vor allem: gefährliche Fragen!
Die ersten offenen Fragen werden geklärt, als kurz nach dem Erwachen eine Fahrerin auftaucht, die Kovacs zu einem Meth namens Laurens Bancroft eskortieren soll. Dieser wurde einige Zeit zuvor tot in seinem Arbeitszimmer aufgefunden, mit zerschossenem Stack – was seinen endgültigen, „realen Tod“ bedeutet hätte, gäbe es nicht aufgrund seines immensen Reichtums ein halbtägliches Backup seines Bewusstseins auf einem satellitengestützten Server in der Erdumlaufbahn. Da er sich aber unter keinen Umständen erklären kann, wieso er sich hätte selbst umbringen sollen und da er sich auch nicht für einen solchen „Schwächling“ hält, muss es Mord gewesen sein – womit Kovacs ins Spiel kommt, der seine Envoy-Talente als privater Ermittler zum Einsatz bringen soll, um den Mord aufzuklären, den alle Welt für keinen hält.
Im Laufe seiner Ermittlungen lernt Takeshi ein paar neue Freunde und noch mehr neue Feinde kennen, deckt ein Geheimnis aus seiner Vergangenheit auf, löst den Fall für den man ihn engagiert hat und kommt obendrein noch einer weitreichenden Verschwörung und einigen finsteren Gewohnheiten der Meths auf die Spur. Spannung garantiert.
Wie’s war und was noch kommt.
Auf den Punkt gebracht, ist Altered Carbon eine spannend inszenierte, hochwertig produzierte Krimiserie mit leichten Film Noir Elementen, angesiedelt in einer (für den Großteil der Menschheit) dystopischen Interpretation des 24. Jahrhunderts. Die erste Staffel umfasst 10 Folgen von 46 bis 67 Minuten (im Schnitt etwa 54 Minuten pro Folge), kommt summa summarum auf nicht ganz 9 Stunden, ist meiner Ansicht nach jede Sekunde wert, die Ihr rein steckt und lässt sich prima an einem Wochenende „wegsuchten“. Oder in einer langen Nacht, je nach Gelegenheit und persönlichem Schlaflosigkeits-Index. *g*
Von mir gibt’s – wohlverdient – die volle Punktzahl für die Serie und für Euch ’nen klaren Guckbefehl!
Wie eingangs erwähnt, steht uns ab kommenden Donnerstag die zweite Staffel ins Haus. Inhaltlich weiß ich aktuell nur so viel: Takeshi hat (freiwillig) den Körper getauscht und damit die Serie den Hauptdarsteller. Joel Kinnaman wird somit den Serien-Staffelstab abgeben und zwar an niemand geringeren als den geflügelten Avenger und zukünftigen Captain America Sam Wilson (Falcon) – sprich: an Anthony Mackie.
Ich mochte Kinnaman in der Rolle und ich habe keine Zweifel daran, dass sich auch Mackie gut in seine Rolle als Kovacs einfinden wird. Ich freue mich auf die zweite Staffel, Ihr solltest das auch tun und mal sehen – vielleicht unterhalten wir uns bald wieder über: Altered Carbon.
Recht vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Hinweis: Die in diesem Beitrag verwendeten Grafiken und Bilder dienen lediglich der Illustration und verbleiben geistiges Eigentum von Netflix, Mythology Entertainment, Phoenix Pictures und Skydance Television.