Meine Preview zu Anthem war – aufgrund der Tatsache, dass ich diesmal die seltene Möglichkeit hatte, das Spiel schon vor dem Release ausgiebig zu testen – derart ausführlich, dass ich mir eine zusätzliche Review diesmal eigentlich sparen könnte, zumal ich im Gegensatz zur Fachpresse, immer noch größtenteils hinter meinen Vorschusslorbeeren stehe. Doch gerade diese Diskrepanz fordert dazu auf, zu diesem Thema doch noch einmal Stellung zu beziehen….

Mein Pilotenlevel liegt inzwischen auf dem aktuellen Maximum, also auf Stufe 30 – somit habe ich alle vier Javelins sowohl freigeschaltet, als auch mit Ausrüstung ausgestattet, optisch gecustomized und viele Stunden im Einsatz geflogen. Ich habe alle Story-Missionen abgeschlossen, habe unzählige wiederholbare Missionen ausprobiert, alle Gespräche mit NPCs geführt, war in jedem Winkel der Spielwelt unterwegs und dürfte auch die meisten Worldevents im Freien Spiel schon gesehen haben. Ich wage also zu behaupten: Ich kann mitreden.

Ja, ich kann keine Missionen von einem Läufer aus starten. Ja, es gibt keine coolen Animationen in denen ich aus der dritten Person sehe, wie mein Charakter in seinen Javelin steigt, während die Spielwelt geladen wird und auch ich habe mich irgendwann gefragt, wofür mein Charakter eine äußere Erscheinung hat, wenn ich sie ohnehin nie zu Gesicht bekomme. Ja, auf dem Startplatz gibt es mehr wie einen Standplatz, ich sehe dort aber immer nur einen Kampfanzug – und zwar den, den ich gerade aktiv benutze. Und ja, die Trailer (insbesondere die ersten Videos zur Ankündigung des Spiels) haben die Existenz all dieser Feinheiten mehr als nur angedeutet. Aber ändert das irgendwas am Spielspaß?

Ebenfalls steht immer noch die Aussage von Bioware im Raum, Anthem würde eine „epische Geschichte“ erzählen. Und ja, was man bis jetzt davon sieht ist nur durchschnittlich. Aber aus meiner Perspektive ist das nur der Anfang. Der erste Akt einer Story, die man uns im Laufe des kommenden Jahres noch (ohne Mehrkosten, muss man hier noch anmerken) liefern will. Das erste Content Update steht für März im Raum, das nächste kommt im April, das dritte im Mai – zumindest wenn man dem Release Kalender Glauben schenkt. Und die langfristigen Pläne sind auf 10 Jahre ausgelegt…

Was alle zu vergessen scheinen: Anthem kein Mass Effect oder Knights of the Old Republic, kein Jade Empire. Auch wenn viele alte Bioware Fans genau das aus den Ankündigungen und Trailern gerne herauslesen wollten. Freilich hätte das auch mir gut gefallen, aber Anthem ist eben viel vergleichbarer mit The Division oder Destiny. Und wenn ich überlege, wie wenig Zeit ich mit Destiny 2 verbracht habe, bis ich einmal durch die initiale Story durch war (inzwischen gibt’s dafür ja auch Addon-Material) und wie viel Zeit ich im Gegensatz dazu fürAnthem aufgewendet habe, dann liegt der letztere Titel deutlich vorne.

Und das liegt nicht zuletzt daran, dass Anthem seine übrigen Versprechen (an mich) voll und ganz erfüllt hat. Die Mobilität der Javelins, die vielen Kombinationsmöglichkeiten die Ausrüstung betreffend, die verschiedenen Spielstile der vier Anzüge und das insgesamt daraus resultierende Gameplay sind aus meiner Sicht tatsächlich einzigartig. Ich hatte mit noch keinem Spiel dieses Typs so dermaßen viel Spaß.

So wie es momentan dasteht, ist Anthem sicherlich (noch) keine 10/10 Punkten wert. Das ist einzusehen. Aber ich bin geneigt daran zu glauben, dass dieses Online-Spiel – und nichts anderes ist Anthem ja eigentlich, auch wenn viele es anders sehen – noch in der Lage ist sich zu entwickeln, wenn man ihm die Zeit dazu lässt. So wie vergleichbare Titel.

Anthem ist nicht perfekt. Es gibt noch Bugs, die Server scheinen manchmal unter leichten Ausfallerscheinungen zu leiden und ja, die Ladezeiten nerven sogar mich. Aber das die Fachpresse das Spiel derzeit weitläufig mit 6/10 Punkten abstraft, kann ich schlicht nicht nachvollziehen. Denn trotz seiner Unzulänglichkeiten, macht das Herumdüsen in einem Javelin irrsinnig viel Freude. Und wenn ich dem einen oder anderen Kommentar glaube, den ich im Netz dazu gefunden habe, bin ich mit dieser Ansicht nicht allein. Aber wie so oft, schreien die unzufriedenen Spieler in den Weiten des Internets sehr viel lauter, als die andere Fraktion. Und wie es scheint, haben diese Schreihälse diesmal zu allem Überfluss auch noch die Profis hinter sich. Schade. Denn wenn das so weiter geht, und EA am Ende den Geldhahn zu früh zudreht, dann wird aus Anthem in letzter Konsequenz doch noch der Rohrkrepierer, den jetzt schon viele in dem Spiel zu sehen scheinen.

Von mir jedenfalls bekommt Anthem in seinem Release-Zustand verdiente…

Recht herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


Hinweis: Die in diesem Artikel verwendeten Screenshots und Animationen wurden a) von mir selbst und b) in der Demo Version des Spiels für die PlayStation 4 erstellt. Das (nachträglich) eingebettete YouTube Video stammt direkt vom Hersteller. Jegliche Rechte an dem zugrunde liegenden Spiel liegen bei Bioware & Electronic Arts.