Wir leben im digitalen Zeitalter. Punkt. Ohne einen Computer geht heute (fast) nichts mehr, das gilt gleichermaßen im Berufs- und im Privatleben. Ob ihr als „Computer“ nun einen Desktop-PC, ein Notebook, ein Tablet, ein Smartphone oder alles davon wahrnehmt, bleibt ganz Euch überlassen. Eines dieser Geräte hat aber jeder von Euch garantiert täglich in Benutzung. Und da Gesten- und Sprachsteuerung für den Einsatz in der Öffentlichkeit immer noch weitgehend ungeeignet sind, kommt auch (noch) niemand gänzlich an der Verwendung einer Tastatur vorbei. Wie effektiv man dabei ist hängt (in den meisten Fällen) davon ab, ob man über diese spezielle „Superkraft“ verfügt, von der wir alle irgendwann im Leben schon mal gehört haben.

„Was schwafelt der denn da jetzt bitte von Superkräften…?!“

Stellt Euch mal die Frage, mit wie vielen Fingern Ihr täglich in die Tasten hämmert… Die Bildschirmtastatur auf unseren Smartphones verwenden wir für gewöhnlich mit zwei Fingern – den beiden Daumen, genauer gesagt. Das geht flott von der Hand und beinhaltet schon einen interessanten Grundsatz: Die Tastatur wird automatisch in zwei Hälften und unter den beiden Daumen aufgeteilt. Ist ein Tablet das Gerät der Wahl, sieht man selbiges oft flach auf dem Tisch oder dem Schoß des Anwenders liegen, beim Tippen auf dem Touchscreen kommen gerne nur die beiden Zeigefinger zum Einsatz, der Position der einzelnen Tasten wird dabei wenig Bedeutung beigemessen. Der Anwender des „Zwei-Finger-Adler-Such-Systems“ stört sich daran aber nicht weiter und sucht sich stoisch und tiefenentspannt jeden Buchstaben einzeln.

Klopft man täglich längere Texte in die Tasten, erlangt man fast zwangsläufig irgendwann die Fähigkeit blind zu tippen, also ohne auf die Tasten schauen zu müssen. Gerne kommen hierbei drei bis sechs Finger zum Einsatz, mit denen man es auf über 200 Tasten-Anschläge pro Minute schaffen kann. Das klappt übrigens deshalb, weil dafür unser „motorisches Gedächtnis“ zum Einsatz kommt: Unser Gehirn merkt sich oft verwendete Bewegungsabläufe um diese zu „automatisieren“.

Ältere Semester werden sich vielleicht daran erinnern: Früher gab es an den Schulen Schreibmaschinen-Kurse. Manche haben sie freiwillig besucht, manche hatten keine Wahl, die meisten dürften nach dem Ende der Schulzeit keinen Gedanken mehr daran verschwendet haben. Aber mit dem motorischen Gedächtnis ist es – aus nahe liegenden Gründen – „wie mit dem Fahrradfahren“: Hat man etwas mal gelernt, verlernt man es für gewöhnlich nie wieder. Die Fähigkeit, die man in diesem (damals als nutzlos erachteten) Kurs beigebracht bekommen hat, hört auf den Namen „Maschinenschreiben“ oder „Zehnfingersystem“. Und da haben wir sie, diese verborgene „Superkraft“: Schnelles und fehlerfreies Blindschreiben, unter Verwendung aller zehn Finger. Und wenn ich schnell sage, dann meine ich deutlich über 400 Anschläge pro Minute. Tatsächlich erreichen Profis in Wettbewerben sogar über 900 Anschläge. Neunhundert. Kaum vorstellbar.

Wer genau das Zehnfingersystem nun erfunden hat, darüber streiten sich bis heute die Experten. Der erste dokumentierte Anwender dieses Systems war jedenfalls der amerikanische Stenograf Frank Edward McGurrin, der am 25. Juli 1888 einen Tipp-Wettbewerb gewonnen hat, indem er das besagte System nebst einer entsprechend angepassten Schreibmaschine (ursprünglich waren die Buchstaben auf den Tastaturen nämlich in der normalen Zeichenfolge unseres Alphabets angeordnet) zum Einsatz brachte. Danach trat das System zurecht seinen weltweiten Siegeszug an und erleichtert uns heute, insofern wir dessen Anwendung mächtig sind, den täglichen Umgang mit unseren digitalen Helfern.

Und wie funktioniert’s…?

Im Zehnfingersystem gibt es für beide Hände eine Grundstellung. Die vier Finger der linken Hand sind dabei über den Tasten A, S, D und F positioniert, die Finger der rechten Hand über den Tasten J, K, L und Ö. Beide Daumen sind für die Benutzung der Leertaste abgestellt, die umliegenden Tasten werden jeweils dem Finger zugeordnet, der sie – ohne die Hand groß bewegen zu müssen – möglichst gut erreichen kann. Die vollständige Aufteilung sieht dann so aus:

Gehört man nicht mehr der Generation X an und hat, mit zunehmender Wahrscheinlichkeit, keinen Schreibmaschinen-Pflichtkurs mehr in der Schule besucht, greift man zum Erlernen dieses, auch im Jahr 2018 noch funktionierenden / aktuellen, „Lifehacks“ einfach auf kostengünstige oder sogar kostenlose Lernprogramme zurück, die einem mit einfachen und schnellen Lektionen und Übungen in nur wenigen Wochen auf die Sprünge helfen.

Schneller das System lernen und am Ende dann auch weit bequemer lange Texte verfassen kann man, wenn man von einer gerade geschnittenen Tastatur auf ein „Natural Keyboard“ umsteigt, einen – inzwischen leider selten gewordenen – Tastaturtypus, der über ein geteiltes Tastaturlayout verfügt, bei dem das Tastenfeld in drei Abschnitte unterteilt ist: linke Hand, rechte Hand und Zahlenblock. Die Abschnitte mit den Buchstaben sind dabei jeweils in Richtung der zugeordneten Hand gedreht und leicht geneigt, so dass die Handgelenke beim Tippen weniger Stark abgeknickt werden müssen. Das sorgt, auch über lange Textpassagen, für eine entspannte und damit gesündere Haltung und die Tastenblöcke helfen Neulingen beim Sortieren der Finger. Für die ersten zwei Tage ist das geteilte Layout zwar etwas gewöhnungsbedürftig, aber danach werdet Ihr dieses Feature nie wieder missen wollen – versprochen.

Es ist nämlich so: Ich berichte aus eigener Erfahrung. Als Jugendlicher hätte ich nachmittags an der Schule einen freiwilligen Schreibmaschinen-Kurs belegen können, war dazu aber schlicht zu lustlos. Computer habe ich mit Vorliebe zusammengebaut und installiert, darüber hinaus aber zu 99% zum Spielen benutzt. Wenn es doch mal ein paar Zeilen Text zu tippen gab, dann lief das nach dem eingangs bereits beschriebenen Adler-Such-System ab. Mehr war in dem Alter für mich auch nicht nötig. Das Internet, so wie wir es heute nebst moderner Kommunikationsmittel nutzen, existierte in dieser Form schlicht noch nicht.

Ein paar Jahre später sah die Welt schon anders aus, ich startete ins Berufsleben und begann Websites zu programmieren. Damit stiegen auch die Anforderungen an meine Tastatur-Fähigkeiten, also kaufte ich mir einfach eines der ersten Natural Keyboards von Microsoft und brachte mir auf die harte Tour bei, die Hände zumindest einmal auf der richtigen Seite der Tastatur zu belassen. Dabei entwickelte ich über die Jahre ein eigenes System, mit drei bis bestenfalls sechs Fingern im Einsatz, mit dem ich es immerhin auf (nahezu fehlerfreie) 294 Anschläge pro Minute brachte, natürlich ohne auf die Tastatur zu schauen. Im Hinterkopf hatte ich aber immer den Gedanken, irgendwann im Leben mal lernen zu wollen, wie es „richtig“ geht.

Diese Idee habe ich etwa genauso zielstrebig verfolgt, wie den Wunsch das Notenlesen zu lernen, damit ich ordentlich Klavier spielen kann und nicht nur nach einfach Gehör (was eine Gabe ist, mit der ich mich als Kind eine Weile lang durch den Orgel-Unterricht gemogelt habe). Nämlich gar nicht!

Vor einigen Wochen hat deine meine – zu diesem Zeitpunkt noch – aktuelle Bürotastatur den Geist aufgegeben. Genauer gesagt, der für das schnurlose Gerät lebensnotwendige Bluetooth Empfänger. Ich musste, beim Versuch das Problem zu beheben, dann leider lernen, dass das Microsoft Sculpt Ergonomic Keyboard (welches ich bis zu diesem Zeitpunkt als empfehlenswerte Tastatur erachtet habe) ausschließlich mit dem mitgelieferten Empfänger funktioniert und offenbar nicht an einen Ersatzempfänger gekoppelt werden kann. Ich wollte nicht glauben, dass ich nun gezwungen war die ganze Tastatur wegzuwerfen und recherchierte noch eine Weile im Netz – ohne Erfolg. Allerdings stolperte ich dabei ganz zufällig über eine Kolumne von Martin Weigert auf t3n.de, in der er sich sehr positiv zu seiner „Superkraft“ äußerte, mit allen zehn Fingern tippen zu können. Einen von ihm verlinkten Beitrag, der das Zehnfingersystem als den besten undokumentierten „Lifehack“ des Jahres 2018 bezeichnete, las ich direkt im Anschluss und dann platzte gewissermaßen der Knoten. Ich beschloss, mir Ersatz für das „Sculpt“ zu besorgen und irgendwie herauszufinden, wie ich – bestenfalls in Eigenleistung und ohne fremde Hilfe – von meinen persönlichen Tippgewohnheiten auf das Zehnfingersystem umsteigen konnte. Fündig wurde ich bei heise.de.

In deren Download-Bereich stieß ich auf eine Freeware namens Tipp10, die ich seither für tägliche Trainingseinheiten verwende, um mich Stück für Stück umzugewöhnen. Und das ist deutlich einfacher, wenn man nicht täglich unzählige Zeilen Code, News oder lange Blogbeiträge tippt. (Was keine Entschuldigung für meine vierwöchige Blog-Abstinenz sein soll. *räusper* Aber durchaus sein könnte, wenn ich recht darüber nachdenke… *hüstel* Ehrlich gesagt, habe ich bloß meine ganze Zeit in Assassin’s Creed Odyssey und Red Dead Redemption 2 versenkt. Hat sich gelohnt, die Reviews dazu sind in Arbeit.) Dabei komme ich gut voran. Nicht so schnell, wie ich es gerne hätte. Aber deutlich schneller als ich zu hoffen gewagt habe. Ich bin immerhin schon fast wieder bei meiner alten Tippgeschwindigkeit angekommen, nur an der Fehlerquote hapert es noch ein wenig. Das sollte aber nur eine Frage der Zeit sein und die Aussichten für meine tippende Zukunft sind rosig:

Sobald das Zehnfingersystem endgültig Einzug in mein motorisches Gedächtnis gehalten hat, steht Tippgeschwindigkeiten jenseits der 400 Anschläge pro Minute – zumindest theoretisch – nichts mehr im Wege. Ich bin gespannt…

Den Ersatz für die defekte „Sculpt“ habe ich inzwischen übrigens auch in Betrieb genommen: Das Microsoft Surface Ergomic Keyboard [Affiliate-Link]versucht sich als ergonomisch geformte Antwort auf Apples Magic Keyboard. Optisch kommt das durchaus hin, auch wenn die Microsoft Tastatur nur so tut, als wäre sie aus Aluminium. (Das Gehäuse sieht zwar so aus und fühlt sich mehr oder weniger auch so an, ist aber eigentlich aus Kunststoff.) Die Tasten sitzen auf Rubber Domes, sind flüsterleise und bieten genug Tastenhub, um sich von ähnlich flach geschnittenen Laptop-Tastaturen angenehm abzuheben. Wie gut sie ihren Job auf Dauer machen, wird sich wohl in den nächsten zwei bis drei Jahren zeigen.

Als sehr angenehm empfinde ich die gepolsterte Handballenauflage mit Alcantara-Bezug. Das ist auf dem Tastaturmarkt wohl ein Novum. Auch hier bin ich gespannt, wie sich das Material über die nächsten Jahre hinsichtlich Sauberkeit und Struktur verhält. Ein Merkmal, dass der Tastatur auf den ersten Blick fehlt, ist jegliche Möglichkeit zur Höhenverstellung. Vermisst habe ich das bislang zwar keineswegs, da dieses Feature aber selbst bei günstigen 0-8-15 Tastaturen zum Standard-Repertoire gehört, ist dessen Fehlen durchaus auffällig und sollte hier daher zumindest Erwähnung finden.

Ebenfalls ungewöhnlich ist die Position der Funktionstaste (FN). Die sitzt dort, wo normalerweise die Steuerungstaste (Strg) ihren Platz hat. Persönlich hatte ich damit bislang zwar ebenfalls keinerlei Probleme, aber ich halte ein unabsichtliches (und damit nerviges) Umschalten des Funktionsmodus durchaus für wahrscheinlich.

Lobenswert zu erwähnen ist hingegen die Tatsache, dass die Tastatur – im Gegensatz zu ihrem Vorgängermodell – keinen dedizierten Bluetooth Dongle mehr benötigt. Stattdessen kommt sie ganz ohne Dongle aus und kann direkt mit (nahezu) jedem Bluetooth 4.0 fähigen Gerät verbunden werden. Oder eben auch mit einem beliebigen anderen (neutralen) Bluetooth Empfänger, den man per USB an den Rechner anschließt (Beispiel: Logitechs Unifying Empfänger sind nicht „neutral“, sondern lassen sich nur mit entsprechend markierten Logitech Geräten koppeln).

Alles in allem hält die Tastatur, was sie verspricht: Sie gibt auf dem kabelfreien Schreibtisch ein hübsches Bild ab, nervt Kollegen im Großraumbüro nicht mit lautem Geklacker, macht ihren Job und entlastet dabei die Handgelenke von „Vieltippern“ deutlich. Mit einer UVP von 150 EUR ist sie allerdings kein Schnäppchen, aber mit etwas Geduld findet man sie am Markt hier und da auch schon mal mit einem Preis unterhalb der magischen 100 EUR Marke. Und unter der Prämisse ist sie dann durchaus empfehlenswert.


Wenn ich einen Wunsch bei Logitech frei hätte, hätte ich gerne eine „G920 Orion Ergonomic“ (wie G910, also mechanisch, RGB, einzeln beleuchtete Tasten, mit G-Tasten, aber eben mit geteiltem Tastaturlayout) und dazu ein „G130 GamePad“ (als mechanisches, RGB Upgrade zum G13). Davon würde ich mir sogar einen zweiten Satz als Ersatzgeräte in den Schrank legen, dann bräuchte ich nie wieder etwas anderes. Ja, ja. Man wird wohl noch träumen dürfen…

In diesem Sinne hoffe ich, ich konnte Euch dazu inspirieren Euch selbst mal mit dem „Zehnfingersystem“ auseinander zu setzen und verabschiede mich wie gewohnt mit den Worten…

Recht herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

 


Hinweis: Die in diesem Beitrag verwendeten Bilder und Grafiken wurden entweder von mir selbst angefertigt oder sind geistiges Eigentum von Microsoft, Corsair oder Tom Thielicke IT Solutions. Sie dienen lediglich der Illustration.