Wenn (vornehmlich) junge Menschen heute – aus welchem Grund auch immer – an Auftragskiller denken, dann haben sie in den wohl meisten Fällen entweder eine mystisch anmutende Figur mit großer Kapuze und versteckter Klinge vor Augen oder einen, unter anderem mit einer Klaviersaite bewaffneten, Kahlkopf mit Barcode im Nacken und der Nummer 47 als Namen. Beide Optionen haben unter uns Gamern inzwischen Tradition, einige Serienteile auf dem Kerbholz und sogar den Sprung ins Kino geschafft, der Hitman bringt es, mit einigen Jahren Vorsprung, inzwischen auf ganze 17 Jahre.

Sommer 2015: Der letzte (wirklich neue) Teil der Hitman Serie kam unter dem Titel Hitman: Absolution im Jahr 2012 auf den Markt (die HD Trilogy von 2013 zählt als Neuauflage des zweiten, dritten und vierten Teils nicht wirklich als neu), seitdem herrschte seitens Agent 47 weitestgehend Funkstille. Man wusste zwar, es würde demnächst ein neuer Titel erscheinen, aber ein definitiver Releasetermin war, angesichts der einen oder anderen Verschiebung, noch völlig offen.

Einige Zeit später kam dann die Ankündigung, der neue Teil der Reihe würde im März 2016 erscheinen. Aber nicht als komplettes Spiel mit mehreren Missionen, sondern häppchenweise im Episoden-Format. Die Entwickler stellten sich das wie eine spannende Krimiserie vor, doch deren Vision zum Trotz, war der Aufschrei in der Spielergemeinschaft – wie meistens, wenn etwas völlig unerwartet angekündigt wird – erstmal riesig groß.

11. März 2016: Der neueste Ableger der Serie erscheint, schlicht auf den Namen Hitman getauft. Was nach einem Reboot klingt, ist ein solcher aber nur in einem Punkt, nämlich was das Veröffentlichungs-Konzept anbetrifft. Was die Story angeht, erlebt man zwar im Tutorial erst einmal den Einstellungs-Test von 47 und damit dessen Anfänge bei der ICA, der Rest des Spiels scheint aber a) in der Gegenwart und b) irgendwann nach den letzten Teilen der Serie zu spielen, auch wenn das Spiel alte Handlungsstränge – soweit ich das ermessen kann – nicht näher aufgreift. Zu Anfang ist neben den Tutorials nur die erste Mission (in Paris) verfügbar. Weitere Episoden sollen jeweils in Abständen von ca. 6 Wochen veröffentlicht werden. Die ersten Reviews erscheinen in den einschlägigen Gamer-Magazinen und entgegen aller Unkenrufe entpuppt sich Hitman als ein echter Knaller!

Die Gegenwart: Alle Episoden der ersten Staffel sind inzwischen erschienen, eine zweite Staffel wurde im November 2016 von IO Interactive offiziell angekündigt, die Meinung der Spieler und Spieletester ist, auch nach dem Release aller Episoden, immer noch ausgesprochen gut und in dieser Woche kam – ganz aktuell – die Disc-Version auf den Markt, eine Zusammenfassung des Basisprogramms und der kompletten ersten Staffel auf einer Scheibe. Grund genug, das Spiel endlich selbst in Angriff zu nehmen, aber natürlich nicht, ohne dazu dann auch „ein paar Zeilen“ niederzuschreiben.

Da in der Hitman Serie der Spielspaß direkt davon abhängt, neue Szenerien zu erkunden, die Gegner auszuspionieren, die Opfer zu studieren und alternative Wege zum Erreichen des Missionsziels zu entdecken, werde ich komplett darauf verzichten, in irgendeiner Form auf einzelne Episoden einzugehen. Praktische Beispiele sind also, so gut es eben geht, gestrichen.

Zurück zu alten Tugenden.

Das grundlegende Spielprinzip ist auch dem neuen Teil der Reihe erhalten geblieben: Ihr kommt mehr oder weniger unvorbereitet in dem Level an, Eure Bewaffnung ist recht rudimentär (wird aber immer schnell durch Wachen gut aufgestockt) und ihr beginnt damit, Euch erst einmal gründlich umzusehen. Dann gilt es, eine Tarnung zu finden, mit der ihr es ins Haus, auf die Veranstaltung oder sonst irgendwie näher an Eure Zielperson heran schafft. Ihr schaltet Wachen oder Mitarbeiter aus, legt deren Kleidung an und macht weiter, Schritt für Schritt, bis sich irgendwann eine Gelegenheit zur Erfüllung Eurer Mission ergibt. Wie genau Ihr dabei vorgeht, bleibt völlig Euch überlassen. Die jeweiligen Schauplätze sind dabei unterschiedlich groß (nicht alle sind so riesig wie Paris), in jedem Fall aber deutlich größer, wie in den letzten Teilen der Serie, was auf noch mehr Optionen für den vor Euch liegenden Kill hinausläuft.

Nett zu Serien-Neulingen aber nicht unnötig simpel.

Hitman ist einsteigerfreundlicher wie seine Vorgänger. Die Lernkurve ist angemessen, das Spiel holt Euch zu Anfang dort ab, wo Ihr steht und Serien-Neulingen werden, mit ingame verfügbaren Hilfsfunktionen, stets gute Ansatzpunkte geboten. Trotzdem gilt: Trial & Error ist Trumpf, wilde Ballereien führen in der Regel zum frühzeitigen Ableben des Protagonisten und neue Verkleidungen sollten mit Bedacht gewählt, alte Verkleidungen sinnvoll zurückgelassen werden. Man sollte sich somit weder als Anfänger überfordert fühlen, noch als Profi gelangweilt sein.

Wie schlägt sich Hitman technisch?

Für die angemessene optische Präsentation sorgt diesmal die neueste Version von IO Interactives Glacier Engine. Ich kann zwar nur die XB1 Version beurteilen, die ich selbst gespielt habe, man kann aber wohl davon ausgehen, dass sich die PS4 Version ähnlich gut schlagen wird und die PC Version – schon aufgrund der zwangsläufig potenteren Hardware – optisch den Konsolenversionen um ein paar Nasenlängen voraus ist. Der Detailgrad ist, die Texturen sind gestochen scharf, die Lichteffekte beeindruckend und stimmungsvoll. Sowohl Agent 47, als auch sämtliche NPCs punkten außerdem mit butterweichen und lebensecht wirkenden Animationen. An der einen oder anderen Örtlichkeit bekommt Ihr es auch mit großen Menschenmengen zu tun. Hier fällt, wenn man sich in Ruhe umsieht und mal genau darauf achtet, zwar auf, dass viele NPCs „geklont“ sind, folgt man aber dem Spielfluss, fällt das nicht störend ins Gewicht.

Die KI der Gegner ist grundsätzlich schlau. Lässt man irgendwo eine Waffe fallen, während Wachen einen beobachten, werden diese umgehend misstrauisch und rücken einem auf die Pelle. Dies kann man in dem einen oder anderen Szenario auch zu seinem Vorteil nutzen, sollte mal eine Ablenkung notwendig sein. Legt 47 eine Verkleidung an, beispielsweise als Techniker, so wird er nicht wie früher automatisch von jedem anderen Techniker auf dem Gelände direkt als Bedrohung enttarnt, sondern nur von deren Boss, denn nur dieser kennt seine sämtlichen Untergebenen genau. Entsprechend „gefährliche“ NPCs werden vom Spiel markiert, so dass man Ihnen in der Regel recht problemlos aus dem Weg gehen kann.

Man könnte sich jetzt noch wünschen, dass betäubte Gegner irgendwann von selbst zu sich kommen und Alarm schlagen, anstatt nur dann wieder aufzuwachen und ihren Kollegen Bericht zu erstatten, wenn sie zufällig gefunden werden. Man könnte sich auch wünschen, dass 47 einem Zimmermädchen im Hotel auffällt, wenn er als Kollege verkleidet an ihr vorbei läuft, obwohl sie ihn eine Minute zuvor noch als Gast gesehen hat. Man könnte sich zudem noch wünschen, dass einer Wache vor einer Tür auffällt, wenn der Kollege, der eben noch einen Meter daneben stand, plötzlich wie von Geisterhand und flüsterleise verschwunden ist und nie wieder auftaucht…

Schwamm drüber. Ehrlich. Der einzige Punkt, den man dem Spiel mit gutem Gewissen und ganz ernsthaft ankreiden kann, sind wirklich lange Ladezeiten. Das wäre besser gegangen und man darf mit etwas Glück vielleicht darauf hoffen, dass sich hier in Zukunft – gerade im Hinblick auf Staffel 2 – noch etwas tut.

Aber sind wir ehrlich, Hitman macht auch so riesig viel Spaß!

Die Missionen / Episoden sind extrem abwechslungsreich was die Örtlichkeiten, den Background der Zielpersonen, die Gegner und die zur Verfügung stehenden Methoden angeht. Nach einer Modenschau in Paris erwarten Euch noch ein Anwesen mit Bio-Labor in Sapienza, eine Botschaft in Marrakesh, ein Nobel-Hotel in Bangkok, eine Farm in Colorado und ein Krankenhaus auf Hokkaido. Ich kann versprechen: Es wird Euch garantiert nicht langweilig! Und wenn Ihr einmal durch seid, lohnt es sich – aufgrund der vielen verschiedenen Lösungswege – das Spiel nochmals und nochmals und nochmals durchzuspielen.

Ich für meinen Teil bin gespannt auf Staffel 2, wünsche Euch viel Spaß mit den ersten 6 Episoden und sage…

Recht herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

 


Hinweis: Die Rechte an den hier gezeigten Bildern liegen bei IO Interactive & Square Enix / Eidos.