Das Open-World Action-Adventure Ghost of Tsushima entführt uns in das Japan der Kamakura-Epoche (1185 bis 1333) und beschäftigt sich, während die Handlung des Spiels Fiktion ist, mit einem der Invasionsversuche Kublai Khans in Japan, die zwischen 1274 und 1281 tatsächlich stattgefunden haben. Der junge Samurai Jin Sakai überlebt, ebenso wie sein Onkel, nur knapp – als einer von wenigen Kriegern – den verheerenden ersten Angriff der Mongolen auf die nordwestlich von Japan gelegene Insel. Jins Onkel, Fürst Shimura, der lokale Anführer der etwas abgelegenen Unterpräfektur, wird von Khotan Khan, dem Anführer der Invasionstruppen und damit der primäre Antagonist des Spiels, entführt und gefangen gehalten, mit dem Ziel die Kapitulation der Insel zu erzwingen und der Invasion damit das Tor nach Japan zu öffnen.

Der junge Fürst Sakai besinnt sich selbstverständlich auf den – ihm viele Jahre lang antrainierten – Ehrenkodex der Samurai und beschließt, seinen Onkel zu befreien und an den Invasoren Rache zu üben. Er muss sich jedoch sehr bald der Erkenntnis öffnen, dass – angesichts der massiven mongolischen Übermacht – zwar jede Schlacht mit Ehre geschlagen, deswegen aber noch lange nicht auch mit Ehre gewonnen werden kann.

Und so begibt er sich auf einen neuen Weg, erlernt neue Fertigkeiten, tötet seine Feinde mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, hilft seinem Volk wo er nur kann und wird allmählich zu einer Legende: Dem Geist.

So mancher Kritiker bemängelt, dass es sich bei Ghost of Tsushima nur um einen weiteren, schnöden Assassin’s Creed Klon handelt, der nach dem gleichen Schema-F (Hauptquests, Nebenquests, Sammelobjekte, Eroberungen) vorgeht und mit seiner unspektakulären Handlung nicht gerade kreatives Neuland beschreitet.

Ja, die Handlung folgt einem Schema, dass wir sowohl in Spielen, als auch in sämtlichen anderen Medien, schon mehr als einmal gesehen haben. Doch wenn man nicht gerade nach dem sprichwörtlichen Haar in der Suppe sucht, muss man dem Titel zugestehen, dass er seine Geschichte nicht nur angemessen spannend erzählt, sondern darüber hinaus einfach grandios in Szene setzt.

Ghost of Tsushima versteht sich blendend darauf, mit Licht und Schatten, Weitsicht und Nebel, tollen Partikeleffekten und wechselnden Tageszeiten und Wetterlagen zu spielen. Dichter Pflanzenwuchs, optisch deutlich voneinander unterscheidbare Zonen und von NPCs lebendig und glaubhaft bevölkerte Questhubs / Siedlungen tragen zusätzlich zum guten Gesamteindruck bei. Selten habe ich von einem Spiel derart viele Screenshots angefertigt – wovon Ihr Euch in meiner eigens dafür angelegten Galerie überzeugen könnt.

Auch die vermeintliche Kritik am Spielprinzip lässt sich natürlich nicht leugnen, die Ähnlichkeiten zum Genre-Primus sind nicht von der Hand zu weisen. Das muss aber a) nicht unbedingt als kritikwürdiger Nachteil ausgelegt werden und ist meiner Ansicht nach b) schlichtweg der Wahl des Genres zuzuschreiben. Ein Action-Adventure in einer offenen Spielwelt, dass mit anderen Titeln aus der gleichen Sparte mithalten will, kommt an gewissen Spielmechaniken einfach nicht vorbei. Deswegen etwas abfällig von einem Klon zu sprechen, halte ich für unfair.

Natürlich bin ich befangen: Ich bin ein großer Fan der japanischen Kultur und Geschichte, ich mag Kampfkunst-Filme, begeistere mich für den traditionellen Schwertkampf, liebe die Optik japanischer Gärten und Architektur (Schiebetüren, große offene Räume, Innenhöfe), ziehe das Essen einigen anderen fernen Küchen vor und halte „Mists of Pandaria“ immer noch für eines der besten World of WarCraft Addons.

Doch auch wenn ich mich bemühe ein oder zwei (oder besser fünf) Schritte nach hinten zu machen, um das Spiel aus einer neutralen Perspektive heraus zu beurteilen, gelingt es mir nicht, den von dem einen oder anderen „Kollegen“ angeführten Kritikpunkten zu folgen. Ghost of Tsushima hat mich, deutlich über 30 Stunden lang, mehr als gut unterhalten. Wie in den vorangegangenen Zeilen – hoffentlich deutlich genug – erläutert, macht das Spiel erzählerisch und optisch einen guten, stellenweise sogar sehr guten Job.

Darüber hinaus kann es mit einem harmonischen Soundtrack, einer hochwertigen deutschsprachigen Vertonung, einer – mit ein wenig Gewöhnung – gut erlernbaren Steuerung und umfangreichen rollenspieltypischen Elementen (wie vielen Fertigkeiten, einem Level-System, aufwertbarer Ausrüstung und diversen Rüstungs-Sets) punkten. Und Ideen wie, den Wind als Wegweiser zu nutzen, dem man quer durch das Land zu seinem nächsten Ziel folgen kann, sind schlichtweg schön.

Mein Schwelgen sollte eigentlich bereits Hinweis genug auf meine Meinung zu dem Titel sein, doch ich spreche es zum Abschluss noch einmal unmissverständlich aus: Ghost of Tsushima ist Eure Zeit wert, selbst wenn Ihr keinen besonderen Fable für das japanische Kulturerbe habt. Falls doch und es geht Euch so wie mir, gilt meine Empfehlung für Euch umso mehr.

In diesem Sinne: Nehmt Euch etwas Zeit, legt Eure Samurai Rüstung an, schnappt Euch Katana, Wakizashi, Wurfmesser und Bogen und macht Euch daran, Eure geliebte Insel von den einfallenden Mongolen zu befreien. Rettet Tsushima, rettet Japan. Und vor allem: Habt Spaß dabei!

Recht herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


Hinweis: Die in diesem Artikel verwendeten Screenshots wurden von mir selbst beim Spielen des Titels auf einer Sony Playstation 4 Pro angefertigt. Der darauf sichtbare Inhalt verbleibt selbstverständlich geistiges Eigentum von Sucker Punch Productions und Sony Interactive Entertainment.