Fast hätte ich ihn im Kino verpasst: Blade Runner 2049, die lang ersehnte Fortsetzung zum Original aus dem Jahr 1982: Ridley Scotts grandioser Adaption (obwohl Interpretation das bessere Wort wäre) von Philip K. Dicks „Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“. Der in einer dystopischen Zukunftsvision angesiedelte Film Noir war damals seiner Zeit voraus und an den Kinokassen alles andere, als ein Erfolg. Erst in den drei Jahrzehnten danach entwickelte sich Blade Runner [Affiliate-Link] zu einem Kultfilm und ist (nach dem Release einiger verschieden geschnittener Versionen) heute auf Blu-ray & DVD im Final Cut erhältlich. Die aktuelle Fortsetzung setzt ganze 30 Jahre später an. Im molochartigen Los Angeles des Jahres 2049 dringt fast nur noch künstliches Licht durch den Smog. Die Stadt wird neben Menschen von Replikanten (künstlich geschaffenen, unfruchtbaren Menschen, mit verkürzter Lebensdauer, die vornehmlich als Arbeiter oder Sklaven dienen) und holografischen KIs bevölkert. Die Hauptfigur in dieser Geschichte ist KD6-3.7, kurz „K“ (Ryan Gosling), ein Replikant der als Blade Runner für die Polizei von L.A. arbeitet und abtrünnige Replikanten „in den Ruhestand“ schickt.

Vornehmlich geht es dabei um ältere, inzwischen verbotene, Replikanten-Modelle der Serie Nexus-8 (die aktuellste Version im ersten Teil), bei denen nicht nur auf die Verkürzung der „Betriebsdauer“ verzichtet wurde, sondern auch auf eine Erhöhung der Gehorsamkeit. Aus Angst, diese könnten die Menschen irgendwann als Primär-Spezies ablösen, sie trennte nur noch die fehlende Reproduktion von „echten“ Menschen und davon abgesehen waren sie diesen in allen anderen Belangen (Gesundheit, Leistung, Intelligenz, Reflexe) überlegen, werden die letzten ihrer Art gnadenlos gejagt und getötet.

Der Film beginnt, als K einen seit 30 Jahren untergetauchten Replikanten aufspürt und dessen Farm aufsucht, um ihn unschädlich zu machen (nicht das dieser wirklich irgendjemanden geschadet hätte, seit er in Freiheit war). Als er, nachdem er seinen Job erledigt hat, das Gelände genauer unter die Lupe nimmt, entdeckt er eine vergrabene Kiste mit den Knochen einer weiblichen Nexus-8 Replikantin, an denen kurz darauf im Kriminaltechnik-Labor Spuren einer Geburt entdeckt werden.

Klar, dass diese Entdeckung das bestehende Menschen-Replikanten-Gefüge vollkommen auf den Kopf stellen und wahrscheinlich eine Revolution der Replikanten auslösen würde, sollte sie öffentlich werden. Also wird K kurzerhand angewiesen, den Fall weiter zu untersuchen und alle Spuren die er findet zu beseitigen, inklusive dem Replikanten-Nachkommen, sollte dieser noch leben. Soweit wäre das ein normaler Job für den Blade Runner, würden die Spuren trotz aller Windungen nicht zu ihm selbst führen.

Keine Angst: Ich habe Euch damit noch nicht das Ende verraten, das wäre zu einfach. An diesem Punkt der Geschichte fangen die Verwicklungen erst richtig an! Einerseits wäre da noch der Großindustrielle Niander Wallace (Jared Leto), der massives Interesse an fortpflanzungsfähigen Replikanten hätte, da er damit im Stande wäre seine Produktionskapazitäten massiv zu erhöhen. Und andererseits spielt Rick Deckard (Harrison Ford), der Blade Runner aus dem ersten Film, wie wir alle schon im Vorfeld wussten, in der ganzen Geschichte auch noch eine wichtige Rolle. Welche genau wird erst sehr spät im Film offen gelegt.

Verena Lueken von der FAZ stellte ziemlich treffend fest, der Film beschäftige sich mit Fragen, die heute tatsächlich bereits gestellt werden müssten: „Was unterscheidet die Menschen von den Maschinen? Von den Maschinen, die inzwischen aussehen wie sie, die bluten wie sie, auch wenn ihre Wunden schneller heilen, die sterben wie sie, auch wenn es länger dauert, und die sich an ihren, der Menschen, Erinnerungen, die ihnen implantiert wurden, festhalten, wenn sie innerlich verloren zu gehen drohen?“ Blade Runner 2049 erzähle uns, was es bedeutet menschlich zu sein und dass es dafür nicht (biologische) Eltern brauche, sondern die Sehnsucht danach, einmal Kind gewesen zu sein. Der Film halte dabei die Grenzen zwischen Mensch und Maschine fließend: „Menschlichkeit, um die es hier geht, braucht mehr als biologische oder künstliche Gene. Sie braucht den Wunsch nach Transzendenz. Sie braucht den Blick auf die Welt, der ein kümmerliches Blümchen in einem Feld aus Asche für ein Zeichen von Hoffnung hält. Und in ein paar Schneeflocken auf der Haut die Schönheit der Erde erkennt.“ (Quelle)

Blade Runner 2049 setzt direkt auf seinen Vorgänger auf. Der Film ist keiner dieser in Mode gekommenen (indirekten) Reboots. Er versucht nicht, die Geschichte des Originals irgendwie neu zu erzählen oder für heutige Gemüter umzuschreiben, sondern nimmt die vor 30 Jahren von Scott erschaffene Vision auf und erzählt sie behutsam und sehr emotional weiter. Das gleiche gilt sowohl für den visuellen, als auch für den akustischen Stil: Die düstere Atmosphäre mit viel Smog, Regen und Neonlichtern dominiert auch die Fortsetzung und profitiert selbstverständlich von aktueller Effekt- und Computertechnik. Der Soundtrack von Hans Zimmer und Benjamin Wallfisch orientiert sich überdeutlich an den Klängen, die Vangelis für den ersten Teil komponierte. Gut so.

Für Fans von Blade Runner sollte damit ein würdiger Nachfolger entstanden sein, den sie gesehen haben sollten. Das bedeutet aber auch: Wer mit dem Original schon nichts anfangen konnte, darf und sollte von Blade Runner 2049 ohne schlechtes Gewissen die Finger lassen.

Für den unwahrscheinlichen Fall, dass ein Sci-Fan den ersten Teil nicht kennt, aber mit dem Gedanken spielt sich den aktuellen Streifen anzuschauen: Man muss das Original nicht unbedingt gesehen haben, um den Hintergrund und die Story von Blade Runner 2049 zu verstehen, er ist für sich genommen in jedem Fall ein guter Film. Wer den ersten Teil aber kennt und sich damit auseinandergesetzt hat, wird der Fortsetzung aber definitiv (noch) mehr abgewinnen können. Also: Falls Ihr noch nicht drin wart, ab ins Kino!

Recht herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

 


Hinweis: Die in diesem Beitrag verwendeten Bilder, Logos und Videos dienen ausschließlich der Illustration und sind geistiges Eigentum von Warner Bros. und Sony Pictures.